Hallo Peter, hallo Bernd! Mein "Lieblingsthema" Sturmfestigkeit!

Oft genug flechte ich ja Bemerkungen zur immensen Bedeutung einer hohen statischen Stabilitaet und mechanischer Belastbarkeit des Rotors und besonders der Fluegel mit ihrer Verankerung zur Drehachse in meine Beitraege ein. Nicht ohne Grund: Der Darrieusrotor ist in Kreisen von Aerodynamikern, also den Leuten, die sich vorrangig damit befasst haben sowas als Versuchsanlage zu bauen und zu testen, wegen seiner Anfaelligkeit zur Materialermuedung und Bruch beruehmt-beruechtigt. Bisher hat anscheinend noch niemand eine andere Lehre aus vielen Fehlschlaegen gezogen, also nicht nur Aerodynamiker muss man sein, sondern auch ein gewiefter Bauingenieur mit allumfassenden Kenntnissen zu Statik und Materiallehre, um alle Belastungen berechnen zu koennen.
Das wissen wir ja spaetestens seit "Growian", bei Horizontallaeufern/HAWT, und bei spaeteren Bauten hat man das ja inzwischen produktiv umgesetzt. Diese leiden schliesslich auch unter Lastwechseln, die hier aber auf der Schwerkraft beruhen.
Man nehme ein 6 m langes Wasserrohr in der Mitte balancierend hoch, beide Enden biegen sich dann nach unten! Was dann bei grossen ueber 50m langen Fluegeln an einer Windmuehle geschieht, bei der jeder Fluegel mehr als ein mittlerer Lastwagen wiegen kann, brauche ich nicht weiter zu definieren, die Last zerrt nach unten, mal von der einen Seite des Fluegels (jeden Fluegels) mal von der anderen, je nach Stellung der Fluegel im Umlauf.
Dieses Problem haben wir ja beim Darrieus Rotor nicht, solange wir nicht allzu tollkuehn sind und ihn auf einer horizontal liegenden Drehachse laufen lassen wie auf dem nachfolgenden Foto!
Aber!!!
Leider haben wir es beim Darrieusrotor mit anderen ebenso dramatischen Lastwechseln zu tun, die auf Dauer ebenso gravierend fuer Ermuedungsbruch sorgen koennen. Es sind Lastwechsel, die interaktiv durch Fliehkraft und wechselnden Winddruck, welcher ja beidseitig im Umlauf auf jede Fluegelseite einwirkt verursacht werden. Also nicht nur die unterschiedliche Anstroemung des Windes ist es, die an Fluegel und Verbindung zur Drehachse stoesst, zerrt und verdreht, sondern auch der Umstand, dass der Wind auf einer Seite des Rotors mit der Fliehkraft arbeitet und auf der anderen (der zum Wind gerichteten Seite) gegen sie!!!
Wie gesagt, haben die Horizontalbauer ihr Problem weitgehend im Griff, zumindestens bei kleinen und mittleren Anlagen. Bei ganz grossen Bauten mit bis zu 6 Megawatt Leistung haben wir ja noch keine Langzeitergebnisse! Oder?
Ich will Euch nicht entmutigen, aber davon, eine 100% sturmfeste Anlage selber zu bauen, war ich selbst mit meinen guten handwerklichen Kenntnissen noch weit entfernt. Bei einem Orkan, als sich der Knoten des Seiles loeste, mit dem der Rotor festgesetzt war, war es lebensgefaehrlich, zu versuchen, diesen wieder abzubremsen. Ich musste mich unter Dach zurueckziehen und 24 Stunden warten, bis das fuerchterliche Unwetter vorbei war. Haette sich da der Fluegel vom Tragarm losgerissen, so waere nicht auszudenken gewesen, was alles haette passieren koennen. Es war auch so schlimm genug!
Der Fluegel (Einfluegler) war oben und unten vom Tragarm abgeklappt (durch die Fliekraft) und hing so wie ein umgelegtes Viktoria- Zeichen nach aussen weg.
Das war mir vorher schon passiert mit dem gleichen Rotor, auf dem beim ersten Hurrikan zwei Fluegel nach aussen abklappten. Ich dachte damals, ich haette etwas gelernt und habe beim Einfluegler dann entsprechende Verstaerkungen eingebaut. Der Rotor hatte ja einen Durchmesser von 2,40m bei nur 1m Fluegelhoehe! Das ergibt bei hoher Drehgeschwindigkeit immer noch auch bei so kurzem Fluegel eine recht hohe Belastung durch die Fliehkraft, die sogar ausreichen koennte um einem die Ohren abzureissen!
Als ich dann auf Gran Canaria meine Zelte (und den Rotor) abbaute, kam der naechste Schreck! Ich hatte den Fluegel schon abgebaut und wollte auf einer Leiter stehend den 70kg schweren Ringgenerator vorsichtig vom Turm nehmen und herunter auf ein vorbereitetes Podest herunterlassen. Die Leiter lag gegen den Turm gelehnt und war zur Sicherheit auch dort festgebunden. Als der Turm sich dann ploetzlich unverhofft langsam zur Seite neigte, Gott sei Dank hing der Generator noch mit einer Schraube am Mast verbunden fest, bekam ich (in 6m Hoehe) einen gewaltigen Schreck! Ich schaffte es, von der Leiter herunterzukommen, ohne dass der Turm sich weiter neigte, er hing zum Glueck noch in den Verspannungsseilen!
Zwei Tage lang war ich sehr deprimiert, denn ich wusste nun nicht mehr, wie ich ohne Kran den Generator herunterbekommen sollte. Ich konnte das Ganze ja nicht so stehen lassen und einfach ohne Loesung des Problems nach Deutschland zurueckkehren.
Das 15cm starke Mastrohr aus verzinktem und versiegeltem Wasserrrohr war auf halber Hoehe mit einem Gewinde mit dem unteren noch breiteren Sockelrohr durch ein Verbindungsstueck verbunden. Nun ist so ein Rohr an der Stelle, wo das Gewinde hineingeschnitten ist, nicht mehr 5mm stark, sondern nur etwa 3mm oder weniger. Zudem, was man von aussen nicht sehen konnte, hatte sich trotz dicker Fettschicht Rost ins Gewinde gefressen, weil immer Regenwasser am lackierten Rohr nach unten lief. An der weissen Farbe des Rohrs waren keine verdaechtigen Rostspuren zu sehen! Um es kurz zu machen, das Rohr war an dieser Stelle im Gewinde ganz abgebrochen, wohl schon seit dem letzen Orkan unbemerkt, und hatte die ganze
Zeit nur in den Drahtseilen der Verspannung aufrecht stehend den Eindruck von guter deutscher Wertarbeit erweckt!
Beim naechsten Sturm oder bei einem Seilbruch waere dann sicher das boese Erwachen gekommen! Gut, dass ich alles noch vorher abbauen konnte. So konnte unser Ansehen im Ausland noch einmal gerettet werden!
Als ehemaligem Seemann faellt einem fuer ein Problem dann doch meistens eine Loesung ein. Ich wollte mir wegen der Gefahr fuer Leib und Leben fuer andere von niemandem helfen lassen, andererseits konnte ich auch keinen Kran dort einsetzen, da war kein Zugang dafuer. Ich schiente also das Mastrohr mit mehreren langen Balken wie ein gebrochenes Bein, nur viel stabiler und nach der Erholung vom ersten Schreck schaffte ich es dann zwei Tage spaeter doch noch mit Hilfe der Leiter den Generator herunterzuholen und den Turm abzubauen. Dieser Generator ist mit zwei weiteren Reserve-Schweiss-Ringgeneratoren mit allem meinem Hab und Gut in einem 20 Fuss Ueberseecontainer heil in meinem neuen Domizil in Deutschland angekommen und harrt nun dem naechsten Einsatz entgegen. Einen Ringgenerator mit 18! fast faustgrossen kupferbandumfassten Echtmagneten (zum Selbstmagnetisieren) findet man ja nicht so leicht wieder! Allerdings weiss ich noch nicht so recht, was ich damit vorhabe, denn fuer mein kleines Windrad dort war der Generator mehr als 10fach ueberdimensioniert. Vielleicht tausche ich ihn noch um oder mache doch selbst was Groesseres damit.
Na, ja, Ihr habt jetzt eine spannende Geschichte gehoert und werdet das beim Bau Eurer eigenen Anlage hoffendlich nicht in den Wind schlagen!
Gruss, Carl