Weibullverteilung, Nennwindgeschwindigkeit und AuslegungIn einigen Threads hier im Forum tauchen diese Begriffe immer wieder auf. Teilweise werden sie erklärt – stehen aber selten im Mittelpunkt des jeweiligen Anliegens. Auch in der Windkraft sind diese Begriffe wichtig, und deshalb möchte ich hier eine Erklärung versuchen.Histogramm und Weibullverteilung
Der Wind weht aus unterschiedlichen Richtungen und mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Windgeschwindigkeit ist demnach ein Vektor, sie besitzt eine Richtung und einen Betrag. Eine mögliche Angabe ist: 3,5 m/s aus Nord-Ost. Der Betrag der Geschwindigkeit, im Beispiel hier die 3,5 m/s lassen sich in eine vertikale und horizontale Geschwindigkeitskomponente unterteilen. Im weiteren beschränke ich mich auf die horizontale Komponente, das ist in der Windbranche so auch überwiegend der Fall.
Eine Darstellung der Verteilung ergibt sich aus klassifizierten Werten der Windgeschwindigkeiten, z. B. auf Basis einer Messkampagne an einem Standort. Die Klassen, die zur Einteilung herangezogen werden, sind gleich breit zu wählen, in der Windbranche zumeist 1 m/s [2]. Das ist eine in der Windbranche weit verbreitete Variante. Besonders wichtig ist die Festlegung der Grenzen zwischen den Klassen. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten dazu:
Tabelle 1: Klasseneinteilung mit Berücksichtigung v = 0 m/s
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Klasse: | 1 | 2 | 3 |...
+------+------+------+----
Breite: |0<=v<1|1<=v<2|2<=v<3|...
Tabelle 2: Klasseneinteilung ohne Berücksichtigung v = 0 m/s
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Klasse: | 1 | 2 | 3 |...
+------+------+------+----
Breite: |0<v<=1|1<v<=2|2<v<=3|...
Während die Klasseneinteilung nach Tabelle 1 Geschwindigkeiten mit dem Wert v = 0 m/s berücksichtigt und diese in die erste Klassen einordnet, werden die Nullwerte bei der Einteilung nach Tabelle 2 nicht berücksichtigt, so ergibt sich die in der Windbranche typische schiefe Verteilungsform während bei dem Verfahren nach Tabelle ein u. U. ein absolutes Maximum in der ersten Klasse auftritt. Ein weiterer Effekt beim Wechsel der Klassengrenzen ist, dass genau auf der Grenze liegende Werte der jeweilig benachbarten höheren Klasse zuzuschlagen sind. Dadurch wird die Verteilung geringfügig rechtsschiefer.
Handwerklich sinnvoll ist das Verfahren nach Tabelle zwei, auch wenn der Unterschied bei der späteren Berechnung der Leistung im Wind oder des Jahresenergieertrages sehr klein ist - und zwar umso kleiner je höher die Anzahl der klassifizierten Werte ist (
Anm.: An meinem Standort beträgt der Unterschied des Jahresenergieertrages 0,8% für 2015).
Die Anzahl der Klassen, also der Balken des Histogramms, und die Anzahl der Einzelwerte müssen zueinander passen. Ein Histogramm mit 12 Klassen, basierend auf 20 Einzelwerten ist sinnlos. Eine Empfehlung ist folgender Zusammenhang:
- Mindestanzahl der Klassen = Wurzel ( Anzahl Einzelwerte) und
- Maximalanzahl der Klassen = 3.Wurzel (Anzahl Einzelwerte)[3].
Liegt die Windverteilung nun in Form eines Balkendiagrammes (Histogramm) vor, kann sie statistisch näher untersucht werden. Zunächst fällt auf dass von links nach rechts gelesen ein steiler Anstieg zum Maximum führt und ein etwas geringere negative Steigung zu größeren Windklassen den Verlauf ausklingen lässt. Die Verteilung ist nicht symmetrisch, sie ist rechtsschief, d. h. wir finden ungleich mehr Werte am rechten Ende der Verteilung als am linken Ende.
Wie stark diese „Schiefe“ ist lässt sich durch einen Vergleich von Mittelwert (arithmetisches Mittel) und Median erkennen. Der Mittelwert ergibt sich aus der Summe aller Einzelwerte, dividiert durch die Anzahl der Einzelwerte. Der Median ist der Einzelwert, der genau in der Mitte der Werte liegt, wenn diese sortiert wurden. Liegt eine gerade Anzahl von Werten vor, ist der Median der Mittelwert der beiden in der Mitte liegenden Einzelwerte.
Beispiel: Die Messreihe A enthält die Werte 9, 3, 7, 2, 4. Der Median ist 4. Die Messreihe B enthält die Werte 7, 3, 9, 4, 6, 1. Der Median ist 5.
Ist eine Verteilung vollkommen symmetrisch sind Mittelwert und Median identisch. Ist die Verteilung rechtsschief, dann ist der Mittelwert immer größer als der Median. Der Mittelwert ist empfindlich gegenüber Ausreißern, der Median nicht [1]. Obwohl es daher sinnvoller wäre bei schiefen Verteilungen mit dem Median zu rechnen, hat sich der Mittelwert der Windgeschwindigkeit auch in der Windbranche als statistische Größe eingebürgert. Das führt u.a. dazu, dass bei Berechnungen des Jahresertrages auf Basis des Mittelwertes das Windpotenzial überschätzt wird – umso mehr, je weiter Mittelwert und Median auseinander liegen.
Jede gemessene Verteilung der Windgeschwindigkeit, lässt sich analytisch auch durch eine Weibullverteilung beschreiben. Die Weibullverteilung kann über den Skalierungsfaktor A und dem Formfaktor C der gemessenen Häufigkeit angepasst werden:
v = ( C / A ) * ( ( v / A ) ^ ( C – 1) ) * e ^ ( - ( v / A ) ^ C )
(
Anm.: Lesbare Form siehe unten)
Hilfreich ist diese Form der Beschreibung der Windverteilung, wenn z. B.
- verschiedene Standorte miteinander verglichen werden sollen,
- numerische, computergestützte Berechnungen durchgeführt werden oder
- keine Messwerte vom Standort vorliegen und anhand der Weibullverteilung eine Einschätzung des Windpotenzials vorgenommen werden soll.
Liegen allerdings verwertbare Messwerte vor, ist es nicht nötig, die Weibullverteilung zu bemühen, eine wesentlich genauere Einschätzung des Windpotenzials eines Standortes ist dann auf Basis der Messwerte möglich.
Der Beitrag ist doch länger geworden als erwartet, deshalb schreibe ich zu den weiteren Begriffen Nennwindgeschwindigkeit und Auslegung im nächsten Beitrag.Windige Grüße
Siegfried
Nachweise
[1] Rumsey, D.: Statistik für Dummies (
Anm.: Kurzweiliger und lehrreicher Einstieg in die Welt der Statistik)
[2] Molly, J.-P.: Windenergie (
Anm.: Man muss nicht immer alles glauben was irgendwo in einem Buch steht - Molly ist jedoch einer der Experten, die die Windkraft in Deutschland wesentlich voran getrieben haben.)
[3] Schulze, A.; Dietrich, E.: Statistische Verfahren
[4] Grotz, B.:
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