Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Adinio » Mi 23. Nov 2011, 20:42

Hallo zusammen,
ich versuche zurzeit einen H-Rotor in einem Windkanal zu testen. Neben viel Freude bringen bringt mir diese Windturbine nun auch ein paar Ungereimtheiten.

Nach den ersten Probeläufen habe ich folgendes festgestellt:

- die Windturbine erreicht mit einer Windgeschwindigkeit von ca. Vwind= 4m/s aus dem Ruhezustand maximal eine Drehzahl n=200 1/min

- Bringe ich die Tubrine auf eine Drehzahl von n=1000 1/min, mittels Vwind=6m/s und reduziere anschließend die Windgeschwindigkeit wieder auf Vwind=4 m/s, bleibt die Drehzahl konstant bei n=800 1/min

- Außerdem fällt auf das sich die Beschleunigung, beim Anlaufen mit einer Windgeschwindigkeit von ca. 6m/s, ab einer Drehzahl von n=400 1/min fast verdoppelt. (a1=2-4 1/s² auf a2= 6-8 1/s²)
Meine Theorie ist das die Turbine ab einer gewissen Drehzahl mehr Energie umwandeln kann, doch weiß ich nicht wie dies zu erklären bzw. beweisen ist.

Nun gibt es einen Berechnungsansatz wo zur Angriffsflächenberechnung die Umfangsgeschwindigkeit im Zähler steht und durch 100 geteilt wird. Dies würde eventuell auch erklärt warum bei großer Drehzahl die Turbine mehr Energie umwandelt oder halt mit geringerer Windgeschwindigkeit eine höhere Drehzahl hält. Doch woher die 100?

Über eine Idee oder Gedankenanstoß würde ich mich sehr freuen.

Besten Grüße,

Adinio
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Windturbine im Windkanal
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Bernd » Mi 23. Nov 2011, 21:03

Hallo Adinio und herzlich willkommen hier im Forum für Vertikalwindräder.
Ich finde es sehr gut das du wissenschaftlich an die Untersuchung der Abläufe eines Vertikalwindrades heran gehst.

Den "Knick" im Beschleunigungsverhalten kann ich auch bei meinen einfachen Experiementen bestätigen.
Auch dort gab es einen Punkt ab dem die Beschleunigung weitaus schneller erfolgte.
Ich habe hier mal eine Grafik vom Beschleunigungsverhalten zweier Profile die ich testete.

Bild

Der Grund für den Knick ist nach meiner Auffassung der das das Profil ab dieser Drehzahl beginnt " zu fliegen ".
Das heisst das Profil erreicht eine Umfangsgeschwindigkeit bei der es erstmalig nach dem Auftriebsprinzip arbeitet.
Die Strömung legt sich laminar um das Profil, es erzeugt ab diesem Punkt plötzlich merklich Nutzleistung.
Zuvor arbeitete es mehr oder minder nur als Widerstandsläufer und erzeugte so gut wie absolut keine Nutzleistung.

Das ist nach meiner Meinung auch der Grund warum dein Testrotor bei 4m/s nur mit 200 U/min rotiert.
Die (für Auftriebsläufer ungünstige) kurze Profilhöhe, die Lagerreibung, als auch aerodynamsiche Hindernisse wie z.B. die
Schraubenköpfe, Tragarme etc. sorgen zusammen dafür das der Rotor bei 4m/s nicht die Leistung aufbringen kann um den
Sprung über die "Schallmauer" hinein in den Auftriebslauf zu erreichen.
Nach meiner Erfahrung ist insbesondere die "Schwergänigkeit" der Lagerung der hinderlichste Grund.
Da kann schon eine Dichtlippe im womöglich fettgefüllten Lager dafür sorgen das es nicht klappt.
Einmal auf diese Drehzahl gebracht, ob von Hand, mit einer Bohrmaschine oder durch kurzeitiges Erhöhen der
Windgeschwindigkeit, überwindet der Rotor diese Grenze und baut dann genug Nutzenergie auf um sich auch beim
Absenken der Windgeschwindigkeit weiter auf einem höheren Drehzahlniveau halten zu können.

Es gibt Beispiele im Netz wo Leute ihren Darrieus angeschubbst haben um ihn in höhere Drehzahlregionen zu befördern
in denen er dann von selbst aus verblieb oder sogar noch weiter beschleunigte.

Ist das dein eigener Windkanal ? Wie gross ist er denn und wie gross ist dein Rotor ?
Welche Profilform nutzt du für deine Versuche ?

Grüsse

Bernd
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Adinio » Mi 23. Nov 2011, 21:52

Hallo Bernd,
danke für die freundliche Aufnahme auf dieser Plattform und vor allem für deinen überaus hilfreichen Beitrag. Besonders die Grafik zeigt das meine Beobachtungen ja nicht so verkehrt sind und genauere Untersuchungen sich eventuell lohnen.
Der Windkanal ist nicht mein eigener aber ich kann ihn für Studienzwecke nutzen, das reicht mir auch. ;)

Was ich eventuell noch ergänzen muss, beim Versuch eine Drehmomentkennlinie zu erstellen, bin ich kläglich gescheitert. Sobald ich die Turbine belaste fällt die Drehzahl aber das Moment erhöht sich nicht oder eventuell nur sehr gering. Dies liegt sicher zum einen an dem nicht besonders feinfühligen Drehmomentmesser als auch an dem sehr geringen Drehmoment an sich. So hatte ich ein Moment zwischen 0,09 Nm un max. 0,11 Nm.

Welche Drehmomente konntest du denn ermitteln?

Zum Rotor:

Die Einzelteile wurden via RapitPrototyping hergestellt. Das genau Material ist mir nicht bekannt und daher auch keine Festigkeitswerte, müsste ich mal nachhaken. Das weiteres Problem stellt ist, das angeblich genaue Daten über diesen Rotor existieren die aber keiner mehr hat. So fehlen mir sämtlich Daten die zur Berechnung genutzt wurden.
Weiß da jemand eine Adresse wo ich genau Informationen zu den jeweiligen Flügelprofilen finde?

Durchmesser des Windrades: 300mm (zwischen den jeweiligen Skeletlinien gemessen).
Höhe: 100mm einschließlich obere und untere Halterungsplatte

Flügelprofil: NACA 6421 mit einem Chord von 72mm.

Munter halten
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Bernd » Mi 23. Nov 2011, 22:14

Ein Rotor deiner Baugrösse lebt von der Drehzahl und erzeugt nahezu kein Drehmoment.
Geschätzt würde ich sagen erbringt er bei 4m/s eine "Leistung" von, jetzt nicht lachen, um die 0,1 Watt.
Das aber auch nur wenn er mit seiner Nenndrehzahl drehen kann. Darunter wäre es noch weniger Leistung.
Das erklärt auch warum er es aufgrund der Verluste der Lagerung nicht schafft bei 4m/s von allein ins "fliegen" zu
kommen, denn diese Minileistung frisst die Lagerung auf, egal wie leichtgängig sie sich anfühlt.

Mein Rotor erzeugt geschätzt knapp die zehnfache Leistung und hatte maximal um die 0,1 Nm anzubieten bei
vielleicht 4m/s und 50cm Durchmesser und Blatthöhe. Höhere Windgeschwindigkeiten waren mir leider nicht möglich.
Bei Dir erwarte ich bei 4m/s Drehmomente in der Grössenordnung von 0,005 Nm bis vielleicht 0,01 Nm.

Nach meiner Meinung sind bei deinem Versuchsaufbau aussagekräftige Messungen nur bei deutlich höheren Windgeschwindigkeiten
als 4m/s möglich, damit die erzeugte Leistung und Lager- und sonstige Verluste in einem brauchbaren Verhältnis stehen.
Eine Alternative wäre die Flügelhöhe zu erhöhen.

Grüsse

Bernd
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon homatec » Mi 23. Nov 2011, 23:45

Hallo,

bitte schaut euch mal die Reynoldszahl des Profils an.
Bei der geringen Flügeltiefe und der daraus resultierenden RE Zahl kann da fast kein Auftrieb enstehen.

2 m/s RE 10000
4 m/s RE 20400
6 m/s RE 30500
Im Freiland sollten die Reynolszahlen jedoch um den Faktor 1000 höher liegen.
Vergleichende Werte gäbe es im Winkanal ab ca. 40 m/s.

Hier mal ein die Polare
Ergänzung die Anstellwinkel sind von -8° bis +13° gerechnet.

NACA 6421.jpg
NACA 6421.jpg (53.11 KiB) 12463-mal betrachtet


Vieleicht hilft javafoil weiter.
http://www.mh-aerotools.de/airfoils/jf_applet.htm
Das rechnet aber im kleinen RE Bereich auch nicht genau.

Grüße
Rainer
Zuletzt geändert von homatec am Fr 25. Nov 2011, 18:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Bernd » Do 24. Nov 2011, 12:06

Ich glaube das was Rainer ausdrücken will (ich weiss nicht in wie weit du da schon tief im Thema bist) ist die Sache
das vereinfacht gesagt kurze Profiltiefen eher höhere Windgeschwindigkeiten benötigen um die gleichen Eigenschaften
zu zeigen die eine mehrfach längere Profiltiefe bei einer weit geringeren Windgeschwindigkeit zeigen würde.
Mit anderen Worten eine kurze Profiltiefe (von Nase bis Heck) arbeitet bei geringen Windgeschwindigkeiten nicht optimal.

Immerhin zeigen deine gemachten Erfahrungen aber das es dennoch ab einer bestimmten relativen Windgeschwindigkeit
anfängt im Auftriebsbetrieb zu arbeiten. Ob für aussagekräftige Messungen mit diesen Profildimensionen wirklich 40 m/s
im Windkanal nötig wären möchte ich mal dahingestellt lassen, mir scheint das ein bisschen sehr viel und mehr als Orkanstärke.
Vielleicht 40m/s relative Windgeschwindigkeit (Blattgeschwindigkeit + Windgeschwindigkeit)
Das erscheint mir persönlich schon eher realistisch, aber ist auch immer noch ne Menge.
Bei geringen Windgeschwindigkeiten "funktionieren" kleine Profile nicht wirklich gut. Ich glaube das kann man festhalten.
Viel grössere Profiltiefen würden aber widerum nicht zum Rotordurchmesser passen.
Es bleibt nur mit etwas höheren Windgeschwindigkeiten zu arbeiten.

Hast du denn vor auch noch andere Profile auszuprobieren bzw. was ist überhaupt das Ziel deiner Bemühungen ?
Dein derzeitger Aufbau erinnert mich an ältere Versionen der italienischen Firma Ropatec.

Grüsse

Bernd
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Adinio » Do 24. Nov 2011, 14:57

Hallo,
ja 40 m/s ist wirklich viel, selbst als Relativgeschwindigkeit. Dabei bin ich mir aber auch nicht sicher ob ich diese über die Winkelbeziehung a²=b²+c² berechnen darf.
Das mit der Profiltiefe kann ich mir gut vorstellen, da die Luft ja dementsprechend einen längeren Weg hat.
Auch das mit der fehlenden Auftriebskomponente klingt plausibel. Wenn ich das richtig verstanden habe entsteht der Auftrieb somit erst ab einer gewissen Umdrehungszahl. Dies würde erklären warum der Rotor ab einer bestimmten Umdrehungszahl anfängt seine Beschleunigung zu erhöhen. Wäre meine Turbine dann vorher „Auftriebsgeschwindigkeit“ ein Wiederstandläufer?

Ich möchte noch einen anderen Effekt ins Spiel bringen. Eine meiner Überlegungen war es, dass durch die schnelle Umfangsgeschwindigkeit der Flügel weniger Luft in dem von der Kreisbahn eingeschlossenen Raum lässt. Also mit einer unendlich hohen Geschwindigkeit ein geschlossenes Rohr darstellt. Somit finden geringere Turbulenzen im inneren statt und es würde der Magnus-Effekt auftreten. Es wäre eine Art Flettner-Rotor, der ja auch von der Auftriebskraft lebt.

Gruß,
Adinio
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Bernd » Do 24. Nov 2011, 15:10

Wäre meine Turbine dann vorher „Auftriebsgeschwindigkeit“ ein Wiederstandläufer?

Aus meiner Sicht ja, und zwar ein schlechter, deshalb auch diese Minimalleistung bevor der Auftriebseffekt einsetzt.

Wenn ich das richtig verstanden habe entsteht der Auftrieb somit erst ab einer gewissen Umdrehungszahl.

Ja, bzw. vielleicht anders formuliert ab einer bestimmten Anströmungsgeschwindigkeit. Erst dann legt sich die Luft flach
über das Profil und umschliesst es ohne Wirbelbildung. Erhöhe ich den Antstellwinkel reisst die laminare Strömung
irgendwann wieder ab. Das gleiche geschieht wenn die Luft zu langsam über das Profil strömt.
Ein Flugzeug braucht aus dem gleichen Grund eine Mindestfluggeschwindigkeit um nicht ab zu stürzen.

Tatsächlich unterliegt jedes schnell drehende Vertikalwindrad mehr oder minder stark auch dem Magnuseffekt.
Der Rotor möchte quer zur Windrichtung ausweichen. Es wirkt also eine seitliche Kraft.
Wie stark die Kraft ist habe ich aber noch nicht gemessen.

Kannst du aus deinen Messwerte ableiten ab welchem TSR bei Dir der Rotor beginnt deutlich schneller zu beschleunigen ?

Grüsse

Bernd
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Adinio » Do 24. Nov 2011, 19:10

Zunächst besten Dank auch an Rainer für die klasse Übersicht der Reynoldszahlen. Eine Frage jedoch dazu, welchen Anstellwinkel hat dieses Profil?

Sehr schön, nun haben wir einen Teil des Puzzels. Jetzt geht es darum es in Form von Formeln zusammenzusetzen ;)

Nun zum Tip speed ratio.
Da ich ja nun bei gleicher Windgeschwindigkeit (Vw=4,5 m/s) in den beiden "Betriebszuständen" unterschiedliche Drehzahlen habe, zum einen n=200 1/min und n=950 1/min, habe ich auch zwei TSRs.

Ich habe hier sehr einfach gerechnet und bin mir da auch nicht sicher ob ich nichts vernachlässigt habe?!

λ=(ω*r)/Vw =(2*π*n*r)/Vw

Für 200 1/min:
λ(20,94 rps) = 0,698

Für 950 1/min:
λ(15,83 rps) = 3,316

Sollte meine Rechnung stimmen, dann ist der zweite Wert ja garnicht so schlecht oder was sagen die Experten?

Genauere Tests werden jedoch morgen oder Montag folgen, da der Windkanal diese Woche belegt war.
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Re: Physikalischer Zusammenhang beim H-Rotor

Beitragvon Bernd » Do 24. Nov 2011, 19:35

0,698 ist so ein typischer Wert für einen Widerstandslauf, nämlich deutlich unter einem TSR von 1.
Viele Widerstandsläufer haben ihr Leistungsmaxima in dieser Gegend.

Ein TSR von 3,3 ist ebenfalls ein typischer Wert, diesmal aber für einen Darrieus Auftriebsläufer.
Bedenken muss man noch das es vermutlich das Leerlauf TSR ist. Nach meinen bisherigen Erfahrungen
kann man davon noch ca. 25% abziehen um auf dem Gipfelpunkt der Leistungskurve zu landen.

Also ist trotz unpassender Reynoldszahl doch noch alles relativ im grünen Bereich.
Unter idealeren Bedingungen würde das TSR vermutlich noch etwas ansteigen.

Das mit dem Anstellwinkel ist beim Vertikalwindrad nicht so einfach wie z.B. beim Flugzeug oder beim Horizontalwindrad.
Beim Vertikalen trifft der Wind im Auftriebslauf meist schräg von vorne auf das Blatt mal von links und mal von rechts.
Das ist ein Phänomen der resultierenden Windrichtung die sich im Kreisumlauf verändert.
Da das Blatt ständig wechselnd von beiden Richtungen her angetrömt wird, sind nach meiner Auffassung symetrische oder fast
symetrische Profile besser geeignet aus deutlich asymetrische Profile.

Ich persönlich erzielte die besten Resultate bei 0 Grad Anstellwinkel, wenn die Chordlinie genau tangential zum Kreisumfang verlief.

Grüsse

Bernd
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